Interview 2 with Prof. Dirk Helbing

Fragen: Ursina Enz, Freie Journalistin, Zürcher Studierendenzeitung Antworten: Prof. Dirk Helbing

by Marcin Korecki

• Welche Schlüsse Sie für sich als Dozent aus diesem Vorfall gezogen haben
Vorlesungsmaterialien werden in einem diversen Umfeld wie der ETH Zürich unterschiedlich rezipiert, vor allem, wenn sie nicht im Kontext gesehen werden. Das kann zu unbeabsichtigten Missverständnissen führen, welche die Gefühle der Rezipientinnen und Rezipienten verletzten können. Dafür habe ich mich entschuldigt, und die von Vielen als „racially insensitive“ empfundene Folie umgehend abgeändert. In Zukunft muss noch stärker als bisher darauf geachtet werden, dass mögliche Missverständnisse vermieden werden. Das macht es notwendig, die Vorlesungsmaterialien vorab aus diversen Perspektiven zu betrachten und zu verbessern, wenn es angebracht ist.
• Wo Ihrer Meinung nach die Herausforderungen im Alltag eines Dozenten bezüglich der Thematik «inklusive Lehre» liegt
Inklusive Lehre erfordert es, Hierarchien zwischen Dozierenden und Studierenden zu überwinden und die Perspektiven der Studierenden stärker in den Unterricht einzubeziehen. Wir bemühen uns daher, eine offene, kritische, respektvolle, tolerante, vertrauensvolle und faire Diskussionskultur zu fördern. Die umstrittene Folie wurde in der Vergangenheit nie als diskriminierend oder rassistisch empfunden oder in Frage gestellt. Diesmal wurde sie anders rezipiert. Ich hätte mir gewünscht, dass die Studierenden in meinem Seminar Fragen gestellt oder kritische Anmerkungen gemacht hätten. So war es mir leider im Unterricht nicht möglich, Intention, Hintergründe oder Entstehungsgeschichte zu erläutern, oder mich sofort für die Folie zu entschuldigen, die keine rassistische oder diskriminierende Intention verfolgte, sondern vor unangebrachten Verallgemeinerungen beim Einsatz von Big Data und Softwaresystemen warnen sollte. Es ging eigentlich um die Notwendigkeit, den Schutz der Menschenwürde im digitalen Zeitalter zu gewährleisten. Ich denke, die ETH sollte weiterhin eine offene und faire Diskussionskultur fördern, welche diverse Perspektiven respektiert. Inklusive Lehre betrifft sowohl Lehrende als auch Studierende und setzt einen respektvollen Umgang auf beiden Seiten voraus. Sie sollte der aktiven Beteiligung diverser Studierenden einen grossen Stellenwert einräumen.
• Wie Sie zu der (immer lauter werdenden) Forderung nach obligatorischen Sensibilisierungs-Schulungen für Dozierende stehen
Ich möchte diesbezüglich der Entscheidung der ETH nicht vorgreifen. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass wir die Zukunftsherausforderungen der Menschheit am besten durch eine respektvolle Zusammenarbeit diverser Kulturen bewältigen können. Daher glaube ich an die Bedeutung des kulturellen Austauschs. Ein gelingendes Miteinander erfordert gegenseitigen Respekt. Die Voraussetzung dafür ist gewachsenes Vertrauen. In einer diversen Welt setzt dies noch mehr gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Verständigung voraus. In diesem Prozess kommt den Universitäten eine besondere Bedeutung zu. Dort sollen Diversität, Toleranz und Respekt gelernt, geübt und gelebt werden und kulturelle Werte vermittelt. Wir haben alle eine grosse Verantwortung wahrzunehmen, damit die Welt zu Frieden, Prosperität und Harmonie mit der Natur gelangt.

 

JavaScript has been disabled in your browser